Subacromiales Impingementsyndrom - Kalkschulter | Schulterzentrum
Anatomie und Beschwerdeursachen
Das Schulterdach (Acromion) bildet die obere Begrenzung des Schultergelenkes. Durch angeborene oder erworbene Fehlformen des Schulterdaches (Acromionsporn) kann es zu einer Einengung des Gleitraumes zwischen Acromion und Oberarmkopf kommen, dem sogenannten "Impingement". Auf dem Boden dieses Engpass-Syndroms entsteht Reibung an den Weichteilgeweben. Diese führt zu einer schmerzhaften Entzündung des Schleibeutels (Bursa) und der umliegenden Sehnengewebe (Rotatorenmanschette, Bicepssehne). Die Ursachen für ein Impingement können jedoch auch lediglich Symptome anderer Schultererkrankungen sein. Dazu zählen Instabilitäten durch Kapselverletzungen oder muskuläre Dysbalancen, verletzungsbedingte oder rheumatische Schleimbeutelentzündungen, Nervenschäden mit Veränderung des Muskeltonus der Schulter, unterliegende Rotatorenmanschettenschäden oder Einengungen des Gleitraumes durch herabstehende Knochenauswüchse (Osteophyten) auf dem Boden einer Schulter-Eckgelenksarthrose.
Bei Menschen mit besonderer Veranlagung kommt es, zumeist auf dem Boden eines chronisch-entzündlichen Impingements, zur Entstehung von Kalkherden in den Rotatorenmanschettensehnen, der Tendinosis calcarea. Dies ist keine "Alterungserscheinung", vielmehr kann die Kalkschulter auch junge Menschen betreffen.
Symptomatik
Patienten mit Kalkschulterbeschwerden klagen über die typischen Impingementbeschwerden, das heißt über belastungsabhängige Schulterschmerzen beim Anheben von Gegenständen, bei Wurfbewegungen oder bei Drehbewegungen der Schulter gegen Widerstand. In den meisten Fällen bestehen zudem starke, entzündungsartige nächtliche Schulterschmerzen. Dies führt zu Stress und schmerzhaften Verspannungen der umgebenden Muskulatur im Nacken- und Brustwirbelbereich. Typisch für die Kalkschulter ist der wellenförmige Verlauf mit längeren beschwerdearmen Intervallen. Unerwartet und ohne ersichtlichen Auslöser können dann hochakute, entzündliche Schmerzzustände auftreten, die jeweils einige Tage anhalten und zu einer erheblichen Belastung der betroffnen Patienten führen.
Diagnostik
Die klinische Untersuchung zeigt bei einer Kalkschulter die Zeichen eines chronischen Impingements (Engpass-Syndromes) in mit positiven Impingement-Tests. Das bedeutet, dass durch passives Anheben des betroffenen Armes mit gleichzeitiger Innenrotation die beklagten Schulterschmerzen durch den Untersucher ausgelöst werden können. Konventionelles, bzw. digitales Röntgen zeigt mit recht guter Zuverlässigkeit in der sogenannten Outlet-Aufnahme die Form des Schulterdaches (Einteilung 1 bis 3 nach Bigliani) und den Abstand der Schulterdachspitze zum Oberarmkopf. Das Kalkdepot zeigt sich als röntgendichte Verschattung variabler Größe im Raum zwischen Schulterdach und Oberarmkopf. Zudem ermöglicht ein Röntgenbild, das Vorliegen knöcherner Verletzungen (Fraktur/ knöcherne Bankartläsion) zu beurteilen und gibt Informationen über den Gesamtzustand des Schultergelenkes (Arthrose? Oberarmkopfhochstand als Zeichen einer Ruptur der SSP-Sehne?). Ultraschall- und MR-Diagnostik zeigen den Zustand der Sehnen und Weichteilgewebe. Beide Verfahren eignen sich zudem, das Kalkdepot für den Fall einer geplanten operativen Intervention genau zu lokalisieren.
Behandlung
Primär kann eine akut aufgetretene Kalkschulter, genau wie ein klassisches Impingementsyndrom, konservativ behandelt werden. Dazu eignen sich abschwellende und entzündungshemmende Maßnahmen, ggf. sogar eine Ruhigstellung für 2-3 Tage. Es kann der Versuch einer Kalkauflösung durch Stoßwellenbehandlung (ESW, extrakorporale Stoßwellenbehandlung) gemacht werden. Allerdings führt dies in Fällen mit einem zugrundeliegenden mechanischen Outletimpingement durch eine Fehlform des Schulterdaches selbst im Falle einer erfolgreichen Kalkresorption häufig nicht zu einer dauerhaften Besserung. Bestehen die Schmerzen länger als 6 Monate und haben konservative Maßnahmen (Analgetika, KG, Spritzen, physikalische Behandlung, ggf. Stoßwelle) keine Besserung gebracht, sollte eine operative Behandlung in Erwägung gezogen werden (minimal-invasive Kalkausräumung). Im Rahmen einer ambulant durchführbaren Schulterarthroskopie wird neben der Kalkabsaugung je nach anatomischen Verhältnissen/ bei vorliegenden Zeichen eines chronischen Impingements ("Impingement-Sign") in gleicher Sitzung der Engpass unter dem Schulterdach mithilfe einer zierlichen endoskopischen Fräse behoben, indem das vordere Ende des knöchernen Schulterdachs um wenige Millimeter gekürzt wird.
Fallbeispiel
Endoskopische Kalkentfernung und Subacromiale Dekompression (SAD oder ESD)
Es handelt sich um Bilder einer 44-jährigen Patientin, die über erhebliche Schulterschmerzen klagte, welche seit mehreren Jahren bestanden. Immer wieder kam es zu akut schmerzhaften Entzündungen, die jeweils eine mehrtägige Arbeitsunfähigkeit im Beruf als Krankenschwester nach sich zogen. Krankengymnastik und Spritzen hatten keine anhaltende Besserung gebracht. Einer Stoßwellenbehandlung wollte sich die Patientin nicht unterziehen. Auch sprachen die Röntgenbefunde für eine begleitende Outleteinengung, so dass in Zusammenschau von Beschwerdebild, Befundkonstellation, Dauer der Vorgeschichte und Leidensdruck der Patientin die Entscheidung zum operativen Vorgehen fiel.
Der minimal-invasive Eingriff erfolgt in Vollnarkose und halbsitzender Lagerung (Beach-Chair). Am Anfang des Eingriffs steht der arthroskopische Rundgang durch das Schultergelenk. Hier werden die verschiedenen Gelenkabschnitte einer genauen Prüfung unterzogen.
Die Bilder 1-5 Zeigen den Blick in das rechte Schultergelenk. Die Sehnenstrukturen sind intakt, es finden sich keine Knorpelschäden. Auffällig ist eine deutliche Reizsynovialitis (Entzündung der Gelenkschleimhaut), besonders im Bereich der Supraspinatussehne, die in Zusammenhang mit dem chronischen Entzündungsreiz zu sehen ist, der die Kalkeinlagerungen der Rotatorenmanschette begleitet.
Nach Ausschluß einer Verletzung von Bicepsanker, Gelenklabrum oder Rotatorenmanschette wird das Arthroskop in den Raum unter dem Schulterdach eingeführt. Auch hier finden sich Zeichen einer chronischen Entzündung. Auffällig ist die periostale Auffaserung an der Acromionspitze ("Impingement sign"), die auf ein unterliegendes Outletimpingement als wahrscheinliche Mitursache der Kalkentstehung hindeutet. Unter Verwendung des "Acromionizers", einer arthroskopischen Miniaturfräse, wird das Schulterdach geglättet und in der Form leicht verändert. Entsprechend der präoperativen Planung erfolgt die Resektion von einigen Millimetern Knochensubstanz, bis der Gleitraum ausreichend erweitert und die mechanische Ursache des Impingements beseitigt ist.
Nun kann der entzündete Schleimbeutel teilweise entfernt werden, um den Blick auf die Rotatorenmanschette freizugeben. Mithilfe einer feinen Kanüle wird das Kalkdepot aufgesucht, das in der Sehne gelegen ist. Die Sehnenfasern können dann unter Verwendung eines Skalpells längs eingeritzt werden - sofort entleert sich der über Jahre angesammelte Kalkinhalt des Depots und kann abgesaugt werden. Ein scharfer Löffel hilft dabei, die Kalkeinlagerungen nach Möglichkeit restlos auszuräumen, da dies den Heilungsprozess nach der Operation in der Regel beschleunigt.
Der gesamte Eingriff wird von mir arthroskopisch durchgeführt, es müssen in der Regel lediglich 2-3 kleine Haut-Einstiche an der Schulter vorgenommen werden. Die Operationsdauer (Vollnarkose) lag im vorgestellten Fall bei ca. 35 Minuten.
Die Nachbehandlung gestaltet sich frühfunktionell, eine längere Ruhigstellung ist nicht erforderlich, die oben gezeigte Bandage muß nur bis zum Abklingen der operationsbedingten Wundeschmerzen getragen werden. In der Regel setzt bereits am Tag nach dem Eingriff eine schonende krankengymnastische Beübung mit dem Ziel einer zügigen Remobilisation der operierten Schulter ein. Unterstützend verordne ich in vielen Fällen eine sogenannte CPM-Schiene (Motorbewegungsschiene), die durch eine Spezialfirma zu Hause beim Patienten für 4 Wochen leihweise aufgestellt wird. Mit deren Hilfe kann der Patient in Eigenregie mehrmals täglich eine passive Beübung des operierten Gelenkes vornehmen. Dies vermindert die Gefahr von postoperativen Verklebungen und begünstigt einen reibungslosen Heilungsprozess. Es ist anzumerken, dass der Heilungsverlauf nach Kalkextraktionen sehr variabel ist. Manche Patienten haben noch über Monate mit Restbeschwerden zu kämpfen, während sich andere bereits 3-4 Wochen nach der Operation über eine gute, schmerzfreie Belastbarkeit der betroffenen Schulter freuen können.