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Lange Biceps-Sehne - Verletzungen & Therapie | Schulterzentrum
Funktion
Die lange Bicepssehne setzt am Oberrand der Schultergelenkpfanne an und verläuft frei durch den Gelenkinnenraum, den sie dann durch die Bicepsrinne des Oberarmkopfes wieder verlässt. Im Gegensatz zur kurzen Bicepsehne, die außerhalb des Gelenkes liegt, ist die lange Bicepssehne durch ihren exponierten Verlauf innerhalb des Schultergelenkes anfällig für Überlastungen und Verletzungen. Ihre Funktion besteht vor allem in einer schwach ausgeprägten oberarmkopfzentrierenden Wirkung.
Die Kraftentfaltung des Bicepsmuskels wird zu mehr als 90% über die kurze Bicepssehne entwickelt, so dass der Verlust der langen Bicepssehne gut kompensiert werden kann. Im französischen Sprachraum wird die lange Bicepssehne unter Schulteroperateuren häufig als eine Art "Blinddarm der Schulter" angesprochen - was zur radikalen Opferung der Sehne beim geringsten Verdacht einer durch sie verursachten Beschwerdesymptomatik führt (Tenotomie).
Ich respektiere die, wenn auch geringe, Bedeutung der Sehne für die Schulterfunktion und führe in der Regel eine Tenotomie und Tenodese (= Verlagerung des Sehnenansatzes in der Bereich der Bicepsrinne am Oberarmkopf) durch, wenn der natürlich Verlauf der Sehne aus den im nächsten Abschnitt aufgeführten Gründen nicht erhalten werden kann.
Verletzungen der langen Biceps-Sehne
Die Bicepssehne (der Zusatz "lange" wird der Einfachkeit halber weggelassen) kann durch Gewebealterung bei Menschen ab 50 spröde werden, und schrittweise einreißen (Tendopathie, degenerative Sehnenruptur). Dieser Prozess wird beschleunigt durch einen chronischen Engpass unter dem Schulterdach (Impingement, link), entzündliche Erkrankungen (Rheumatismus) oder andauernde Überlastungen (berufliche Überkopfarbeit, Sport). Diese degenerativen Prozesse können ebenso wie Unfälle mit forcierter Abduktion/ Außenrotation/ Hyperflektion des Schultergelenkes oder jahrelanges intensives Training von Wurfsportarten (Handball, Speerwurf), zu einer Schädigung
A.: des Bicepssehnenansatzes an der Gelenkpfanne (= SLAP-Verletzung, "superior labrum anterior to posterior Lesion")
oder
B.: der ringförmigen Bandeinfassung am Eintritt in die Bicepsrinne (Pulley-Verletzung) führen.
A.: SLAP-Verletzung des Bicepssehnen-Ankers
Unfallmechanismus
Durch ein forciertes Außenrotations-/ Hyperflektionstrauma kommt es zu einer Überlastung des Bicepssehnen-Ansatzes, und im ungünstigen Fall zum Entstehen einer SLAP-Läsion. Eine forcierte Verdrehung des Schultergelenkes kann auch beim jungen Patienten zu einer Ablösung der oberen Gelenklippe mitsamt der daran befestigten Bicepssehne führen. Beim älteren Patienten liegt of eine schleichend verlaufende Schwächung des spröde gewordenen Sehnenansatzes vor, so dass sich auch ohne Unfallereignis ein schrittweiser Abriss ereignen kann.
Symptomatik
Patienten mit frischer Verletzung des Ankers der langen Bicepssehne berichten häufig über ein "reißendes Geräusch" beim Unfallereignis. Die Schulter schmerzt zumeist nicht sehr stark, die Beschwerden klingen jedoch über Monate hinweg nicht ab. Starke Schmerzen und Einklemmungsgefühle/ Schnappphänomene deuten zumeist auf eine komplettes Einschlagen von Gelenklippe und langer Bicepssehne in den Gelenkspalt hin. Die Verletzung geht zudem mit anhaltenden, tief im Schultergelenk lokalisierten Schmerzen einher. Schmerzspitzen treten nachts, aber auch bei ruckartigen Armbewegungen oder beim Anheben von Gegenständen mit ausgestrecktem Arm auf.
Diagnostik
Die klinische Untersuchung zeigt einen positiven O´Brien-Test (Schmerzangabe bei Anheben des nach vorn ausgestreckten, innenrotierten Armes gegen Widerstand). Konventionelles, bzw. digitales Röntgen hilft dabei, knöcherne Verletzungen auszuschliessen und gibt Informationen über den Gesamtzustand des Schultergelenkes (Arthrose? Kalkeinlagerungen? Schulterdachform? Anzeichen stattgehabter Luxationen/ knöcherne Bankartverletzung?). Die Ultraschall-Untersuchung kann eine SLAP-Läsion nicht darstellen, da sich der Bicepssehnenansatz zu tief im Gelenk befindet. MR-Diagnostik (Kernspin) zeigt die Ablösung des Sehnenansatzes als Kontinuitätsunterbrechung, häufig mit Flüssigkeitseinstrom zwischen Glenoidknochen und Sehnengewebe. In unklaren Fällen führe ich eine direkte MR-Arthrographie durch, bei der ich vor der MRT-Untersuchung Kontrastmittel in das Schultergelenk einspritze.
Behandlung
Die SLAP-Verletzung des Bicepssehnenankers wird beim jungen Patienten in der Regel durch eine Refixation der Sehne an ihrem anatomischen Ansatz am Gelenkpfannenrand behandelt. In arthroskopischer Technik wird die Sehne mit resorbierbaren Mini-Ankern am Knochen befestigt. Beim älteren Patienten hat sich als Standardverfahren die Tenotomie (= Durchtrennung) der langen Bicepssehne etabliert, häufig in Verbindung mit einer Verlagerung des Sehnenansatzes an den Eintritt der Bicepsrinne (unter Verwendung eines resobierbaren Ankers oder eines Titan-Ankers).
Fallbeispiel
Es handelt sich um die Bilder eines 52-jährigen Patienten. Beim Abschneiden von Ästen mit einer sperrigen Astschere (überkopf) war es zu einschiessenden Schmerzen in der rechten Schulter gekommen, die über Monate therapieresistent blieben. Bei der arthroskopischen Exploration des betroffenen Schultergelenkes zeigte sich der Befund einer SLAP-2-Läsion. Zusätzlich bestand ein subacromiales Impingement auf dem Boden einer Spornbildung der Schulterdaches.
Abb.1(linkes Bild): Rechts im Bild der Oberarmkopf, oben die lange Bicepssehne, im Hintergrund unten der Oberrand der Subscapularissehne. Abb. 2 (rechtes Bild): Rechts im Bild die intakte Supraspinatus-sehne, in der linken |
Bildhälfte das Rotatorenintervall mit dem Eintritt dr langen Bicepssehne in die Bicepsrinne. Der umgebende ringförmige Auslass wird Pulleykomplex oder Pulleysystem genannt.
Abb. 3 und 4: Bei der Prüfung mit dem Tasthaken zeigt sich, dass der Ansatz der langen Bicepssehne vom Oberand der Gelenkpfanne abgehoben werden kann. Insbesondere die dorsalen Fasern sind wichtig für die Stabilität des Biceps-sehnenankers. Der Sehnenansatz lässt sich in das Gelenk hinein subluxieren |
und führt zu schmerzhaften Reizungen und Einklemmungen. Auf der rechten Abbildung wird der obere Pfannenrand mithilfe einer rotierenden Fräse "angefrischt", um die spätere Einheilung der Sehne in den Knochen zu ermöglichen.
Abb. 5 und 6: Es werden die weiteren Operationsschritte gezeigt. Zuerst das Einbringen eines bioresorbierbaren Mini-Ankers, der mit zwei Fadenpaaren bestückt ist. Die Fäden werden unter Verwendung spitzer, Schuster-ahlenartiger Instrumente durch die Sehne transportiert und anschließend in endosko-pischer Technik geknotet. | ||
Abb. 7: Hier ist der zweite Faden vorgelegt und wartet darauf, geknotet zu werden. | ||
Abb. 8: Das letzte Bild zeigt die anatomische Refixation des Sehnenansatzes. Im Heilungsprozess werden sich die anfangs straffen Fäden lockern, sobald sie ihre Aufgabe, die Einheilung der Sehne über 6-8 Wochen zu sichern, erfüllt haben. Nicht im Bild dargestellt ist die abschliessende subacromiale Dekompression (siehe auch "Impingement" link), die aufgrund einer begleitenden Enge unter dem Schulterdach erforderlich wurde. |
Der gesamte Eingriff wird von mir arthroskopisch durchgeführt, es müssen in der Regel lediglich 3-4 kleine Haut-Einstiche an der Schulter vorgenommen werden. Die Operationsdauer (Vollnarkose) lag im vorgestellten Fall bei ca. 40 Minuten.
Die Nachbehandlung umfasst eine 4-wöchige Ruhigstellung, um die Einheilung der Sehne zu gewährleisten. Für weitere 2-3 Wochen müssen stärkere Belastungen vermieden werden, da erst dann eine ausreichend stabile Verbindung zwischen Sehne und Knochen gegeben ist. Bei normalem Ausheilungsergebnis sollte die Armkraft vollständig wiederhergestellt sein, der Bicepsmuskel weist keine wesentliche Konturveränderung auf.
B.: Pulley-Verletzung des Bicepssehnen-Ankers (Pulleyläsion)
Unfallmechanismus
Die Pulleyverletzung entsteht in der Regel in Zusammmenhang mit der Verletzung von Teilen der Subscapularissehne (link). Durch ein forciertes Außenrotations-/ Hyperflektionstrauma kommt es zu einer Überlastung der ringförmigen Bandeinfassung der Bicepssehne, und im ungünstigen Fall zum Abriß der Subscapularis-Sehne mit kompletter Zerstörung des Pulley-Komplexes. Als direkte Folge entsteht eine Luxation der Bicepssehne aus der Bicepsrinne. Dies kann, z. B. im Rahmen eines Snowboard-Sturzes, auch beim jungen Patienten auftreten. Beim älteren Patienten liegt of eine schleichend verlaufende Schwächung des spröde gewordenen Sehnenansatzes vor, so dass sich auch ohne Unfallereignis ein schrittweiser Abriss der Subscapularissehne mit daraus hervorgehender Instabilität der langen Bicepssehne ereignen kann.
Symptomatik
Patienten mit frischer Verletzung des Pulley-Komplexes berichten häufig über ein "reißendes Geräusch" beim Unfallereignis. Die Schulter schmerzt zumeist sehr stark, insbesondere nachts. Die Beschwerden klingen über Monate hinweg nicht ab, die Beschwerden entsprechen der im Kapitel "Subscapularissehne (link)" beschriebenen Symptomatik. Starke Schmerzen deuten zumeist auf eine komplette Luxation der langen Bicepssehne hin. Schmerzspitzen treten nachts, aber auch bei ruckartigen Armbewegungen oder beim Anheben von Gegenständen mit ausgestrecktem Arm auf.
Diagnostik
Die klinische Untersuchung zeigt einen positiven O´Brien-Test (Schmerzangabe bei Anheben des nach vorn ausgestreckten, innenrotierten Armes gegen Widerstand). Bei der Pulleyläsion finden sich zusätzlich häufig positive Subscapulariszeichen und ein lokaler Druckschmerz über der Bicepsrinne. Die Außenrotationsfähigkeit des verletzten Armes ist zumeist gegenüber der gesunden Seite vermehrt.
Konventionelles, bzw. digitales Röntgen hilft dabei, knöcherne Verletzungen auszuschliessen und gibt Informationen über den Gesamtzustand des Schultergelenkes (Arthrose? Kalkeinlagerungen? Schulterdachform? Anzeichen stattgehabter Luxationen/ knöcherne Bankartverletzung?). Die Pulleyverletzung kann sonografisch dargestellt werden, insbesondere in ausgeprägten Fällen, wo es zu einer Subluxation der langen Bicepssehne aus dem Sulcus (=Bicepsrinne) gekommen ist. MR-Diagnostik zeigt die Ablösung des Sehnenansatzes der Subscapulraissehne als Kontinuitätsunterbrechung, häufig mit Flüssigkeitseinstrom zwischen Oberarmknochen und Sehnengewebe. In unklaren Fällen führe ich eine direkte MR-Arthrographie durch, bei der ich vor der MRT-Untersuchung Kontrastmittel in das Schultergelenk einspritze. Die Pulleyverletzung kommt dann im MRT als Aufweitung des Rotatorenintervalls zur Darstellung. In ausgeprägten Fällen ist zudem die Bicepssehne aus dem Sulcus luxiert dargestellt.
Behandlung
Bei Vorliegen einer Pulleyverletzung hat sich als Standardverfahren die Tenotomie (= Durchtrennung) der langen Bicepssehne etabliert, häufig in Verbindung mit einer Verlagerung des Sehnenansatzes an den Eintritt der Bicepsrinne (unter Verwendung eines Titan-Ankers). Eine Reparatur der ringförmigen Bandeinfassung mit Erhaltung des anatomischen Verlaufes der Bicepssehne zumeist nicht erfolgversprechend.
Fallbeispiel
Es handelt sich um die Bilder eines 68-jährigen Patienten mit Schulterschmerzen seit einer Distorsion beim Abfangen/ Aufheben eines umgestürzten Motorrollers vor 1 Jahr. Die klinische Untersuchung weist schwach positive Subscapulariszeichen auf, ebenso einen positiven O´Brien-Test. Das Schulter-ckgelenk ist schmerzhaft, es bestehen positive Provokationstests. Im digitalen Röntgen zeigt sich eine AC-Gelenksarthrose mit caudalen Osteophyten, außerdem eine Typ 3-Form des Schulterdaches (Acromionsporn) mit deutlicher Verengung des subacromialen Raumes (Outlet-Impingement). Kernspintomografisch liegt eine SLAP-2-Verletzung der langen Bicepssehne vor. Weiterhin findet sich eine Aufweitung des Pulley-Systems, die lange Bicepssehne ist tendopathisch verändert. Es zeigt sich zudem ein Bursaerguss, der Subacromialraum ist MR-tomografisch exzentrisch verengt im Bereich eines Acromionspornes Typ 3 nach Bigliani.
Abb 1 und 2: Beim Blick in das Gelenk zeigt sich ein lappen- förmiger Einriss der vorderen Gelenklippe (Labrum), ausgehend vom Ansatz der langen Bicepssehne. |
Abb 3 und 4: Die Subscapula- rissehne weist eine craniale Teilruptur auf mit konsekutiver Schädigung des Pulley- Komplexes und Instabilität der langen Bicepsehne. Dieser Befund wird durch Tasthaken- exploration bestätigt. Die Supraspinatuss-Sehne ist intakt. |
Abb 5 und 6: Die operative Versorgung beginnt mit der Anlage von Arbeitszugängen nach Sondieren mit einer Kanüle. |
Abb 7: Anschließend erfolgt die Anlage eines Spongiosabettes am Sulcuseintritt mit Hilfe einer rotierenden Kugelfräse. Es wird die oberste Knochenschicht angefrischt, um einen sogenannten Foot-Print zu erhalten, d. h. einen Bereich, in dem die Sehne gut am Knochen festheilen kann. |
Abb 8 und 9: Nun Einbringen eines Schraubankers aus Titan. Die daran befestigten Fäden dienen dazu, die Sehnen am Knochen zu verankern |
Abb 10 und 11: Transport der Fäden durch das Sehnengewebe mit zierlichen Instrumenten, anschließend Durchtrennen des bisherigen Sehnenansatzes am Oberrand der Gelenkpfanne mit einem Strominstrument (VAPR). |
Abb 12: Knoten der vorgelegten Fäden in endoskopischer Technik. Nun ist die Biceps-Sehne sicher an ihrem neuen Ansatzpunkt im Bereich der Bicepsrinne des Oberarmkopfes verankert. In vielen Fällen ist zugleich auch eine Refixation der oberen Anteile der Subscapularis-Sehne erforderlich. |
Abb 13 und 14: Abschließend erfolgt das Abtragen des Acromionspornes (Dekom- pression) und die Resektion von ca. 7-8 mm des lateralen (seitlichen) Endes der Clavicula (Schlüsselbein) mit dem sogenannten Acromionizer (endoskopische Walzenfräse). |
Die letzten beiden Operationsschritte waren wegen des begleitenden Engpass-Syndromes und der schmerzhaften (=symptomatischen) Schulter-Eckgelenksarthrose erforderlich und gehören nicht routinemäßig zur Versorgung einer Verletzung der langen Bicepssehne.
Der gesamte Eingriff wird von mir arthroskopisch durchgeführt, es müssen in der Regel lediglich 3-4 kleine Haut-Einstiche an der Schulter vorgenommen werden. Die Operationsdauer (Vollnarkose) lag im vorgestellten Fall bei ca. 60 Minuten.
Die Nachbehandlung umfasst eine 3-4-wöchige Ruhigstellung, um die Einheilung der Sehne zu gewährleisten. Für weitere 2-3 Wochen müssen stärkere Belastungen vermieden werden, da erst dann eine ausreichend stabile Verbindung zwischen Sehne und Knochen gegeben ist. Bei normalem Ausheilungsergebnis sollte die Armkraft vollständig wiederhergestellt sein, der Bicepsmuskel weist keine wesentliche Konturveränderung auf.