«
Interaktives Schaubild
Rufen Sie per Mausklick gezielt Informationen zu den verschiedenen Gelenkabschnitten und Sehnen, zu Verletzungsmustern und Behandlungsmöglichkeiten ab.
Supraspinatus (SSP-Sehne) - Verletzungen & Therapie | Schulterzentrum
Verletzungen der Supraspinatus-Sehne
Die Supraspinatus-Sehne ist derjenige Anteil der Rotatorenmanschette, der durch seine exponierte Lage zwischen Oberarmkopf und Schulterdach besonders Anfällig für Verletzungen und Überlastungen ist. Dies hat schwerwiegende Folgen für die Funktion der Schulter. Auf dem Boden von chronischen Fehlbelastungen oder kleineren Unfallereignissen entstehen chronische Entzündungen der Sehne.
Kommt erschwerend ein begleitender knöcherner Engpass hinzu (Outlet-Impingement), so ist es häufig nur eine Frage der Zeit, bis die Entzündung und die mechanische Reibung durch den Engpass in einem Einriss der Supraspinatussehne münden. Typischerweise verstärken sich die Schulterbeschwerden über Jahre hinweg. Bisweilen wird das letztliche Abreißen der Sehne als "Riss in der Schulter" beim Anheben eines Gewichtes oder einer ungeschickten Bewegung wahrgenommen.
Dies stellt dann jedoch nur den berühmten "Tropfen" dar, der das "Fass zum überlaufen" brachte. Die Sehne wurde in der Regel bereits zuvor über Jahren hinweg durch die oben genannten Reibungs- und Entzündungsmechanismen geschwächt. Dies ist übrigens auch der Grund, warum es bei Patienten über 50 nur selten gelingt, einen Unfall als Ursache der Supraspinatussehnen-Verletzung geltend zu machen (bei Unfallversicherungen oder der Berufsgenossenschaft) - auch wenn vor dem Ereignis wenig oder gar keine Beschwerden an der Schulter bestanden. |
Unfallmechanismus
Zumeist liegt, wie im vorigen Abschnitt ausgeführt, bei einem Abriss der Supraspinatus-Sehne kein adäquater Unfallmechanismus vor - vielmehr handelt es sich um ein schleichendes Voranschreiten von entzündungs- und abnutzungsbedingten Teil-Einrissen der Sehne. Von einer überwiegend unfallbedingten Verursachung eines Sehneneinrisses ist allenfalls dann auszugehen, wenn die Verletzung beim Abfangen eines Sturzes mit nach hinten gestrecktem Arm entstand. In seltenen Fällen führen schwere Stürze, z. B. Ski- oder Motorradunfälle auch bei jüngeren Patienten zu einem rein unfallbedingten Abriss von Sehnen der Rotatorenmanschette. Eine forcierte Rotation des Armes (Festhalten beim Absturz von einem Gerüst) oder ruckartiger Zug am Arm (z. B. Einzug in eine laufende Maschine) können in manchen Fällen eine unfallbedingte Verletzung des SSP-Sehne herbeiführen und werden dann auch so anerkannt.
SymptomatikPatienten mit frischer Verletzung der Supraspinatussehne berichten häufig über ein "reißendes Geräusch" beim Unfallereignis. In der Regel entstehen die Schmerzen jedoch schleichend und nehmen in wellenförmigem Verlauf über Monate und Jahre hinweg zu. Die Schulter schmerzt stark, auch in Ruhe (Nachtschmerz). Beschwerden treten zuletzt bei einfachen Alltagsbetätigungen auf, z. B. beim Anheben einer Kaffeetasse oder beim Einräumen von Geschirr in einen Oberschrank. |
Diagnostik
Die klinische Untersuchung zeigt neben lokalen Druckschmerzen im Ansatzbereich der SSP-Sehne (Tuberculum majus) zumeist eine Schwächung der Abduktion gegen Widerstand im Seitenvergleich (positiver Jobe-Test). In ausgeprägten Fällen ist das "drop arm sign" positiv. Das heißt, dass der mit Unterstützung angehobene Arm nicht aus eigener Kraft in einer mittleren Abduktionsstellung gehalten werden kann und schmerzhaft nach unten fällt. Außerdem kann bisweilen eine Atrophie (= Schwund) des Muskelbauches des Supraspinatusmuskels gefunden werden.
Konventionelles, bzw. digitales Röntgen hilft dabei, knöcherne Verletzungen auszuschließen und gibt Informationen über den Gesamtzustand des Schultergelenkes (Arthrose? Schulterdachform? Oberarmkopfhochstand als Zeichen einer chronischen Ruptur der SSP-Sehne?). Ultraschall- und MR-Diagnostik zeigen den Abriss der Sehne als deutliche Kontinuitätsunterbrechung, häufig mit Flüssigkeitssignalen im Rupturbereich. MRT zeigt zudem den Grad der Retraktion (wie weit die Sehne sich zurückgezogen hat) und den Zustand des Supraspinatus-Muskels (Grad der Verfettung). Dies sind wichtige Kriterien für die Entscheidung, ob eine Operation erfolgversprechend empfohlen werden kann. |
Behandlung
Die konservative Therapie einer durch MRT (Kernspin) nachgewiesenen höhergradigen Teilruptur oder gar Komplettruptur der SSP-Sehne ist nicht erfolgversprechend. Einrisse der Rotatorenmanschette können nach allgemeiner Auffassung nicht von selbst heilen. Allenfalls bei sehr alten Patienten mit Allgemeinerkrankungen, bei begleitenden Nervenschäden (Lähmung des Deltamuskels nach Luxation) oder deutlichen Arthroseveränderungen mit Dezentrierung des Oberarmkopfes (Cuff-tear-Arthropathie) kann eine Operation kontraindiziert (nicht angezeigt) sein.
In allen anderen Fällen muss die Möglichkeit einer operativen Wiederanheftung (Refixation) der Sehne an den Oberarmknochen geprüft werden. Auch bei ausgedehnten Rupturen führen selbst teilweise Rekonstruktionen der Sehnenmanschette erfahrungsgemäß zu einer Besserung der Schulterfunktion und zu einer Verminderung der Schmerzsymptomatik. |
Die Supraspinatussehne sollte operativ möglichst anatomisch an ihrem Ansatz am Tuberculum majus refixiert werden. Dies ist bei entsprechender Ausbildung und Operationstechnik für einen geübten Operateur oft auch bei weiter Retraktion der Sehne noch möglich. Gleichzeitig wird die häufig vorliegende Fehlform des Schulterdaches durch Glätten des Schulterdachsporns (Acromionsporn) behoben, um die rekonstruierte Sehne vor erneuter Reibung zu schützen. Die bei ausgedehnten Rupturen oft begleitend vorliegende Pulleyläsion (schmerzhafte Instabilität der langen Bicepssehne am Eintritt in die Bicepsrinne) wird in der Regel mit behandelt durch Verlagerung des Bicepssehnenansatzes in den Bereich der Bicepsrinne (Tenotomie und Tenodese der langen Bicepssehne). Der Eingriff kann heutzutage in den meisten Fällen rein arthroskopisch (endoskopisch minimal invasiv) durchgeführt werden unter Verwendung von Miniatur-Fadenankern aus Titan oder resorbierbaren Materialien. Die aus meiner Sicht erfolgreichste Rekonstruktionsmethode ist die endoskopische Double-Row- oder Doppelreihentechnik (auch Suture-Bridge, bzw. Speed-Bridge genannt). Die offene Technik ("mini open" Technik) ist zusehends in den Hintergrund getreten und sollte nur noch durch Ärzte ausgeführt werden, denen die erforderliche, langjährige Übung in der endoskopischen Technik fehlt.
Fallbeispiel
Hier sehen Sie die Bilder eines 58-jährigen Patienten, von Beruf selbständiger Metzgermeister. Durch chronische berufliche Überlastung kam es auf dem Boden einer vorbestehenden Schulterdach-Enge (Impingement) zu einer langsam voranschreitenden Ablösung der Supraspinatussehne mit entsprechenden Beschwerden (Rotatorenmanschettenruptur, Supraspinatussehnenabriss). Führend waren erhebliche Schmerzen, vor allem in der Ruhephase nach anstrengender körperlicher Tätigkeit. Nach mehrmonatiger erfolgloser konservativer Therapie (Spritzen, KG) erfolgte der Rupturnachweis im MRT und die Vorstellung in meiner OP-Indikationssprechstunde. Hier klärte ich den Patienten über die Notwendigkeit und die hervorragenden Erfolgsaussichten einer endoskopischen Sehnenreparatur auf. Trotz der in Kauf zu nehmenden Ausfallzeit von zumindest 2 bis 3 Monaten in seinem Metzgerberuf im Anschluß an eine operative Sehnennaht entschied sich der Patient letztlich für eine endoskopische Rekonstruktion durch mich.
Bereits beim Eingehen in das Gelenk mit dem Arthroskop (Miniaturoptik mit angeschlossener Kameraeinheit) zeigt sich die abgerissene Supraspinatussehne. Links unten der schönen, intakte Gelenkknorpel des Oberarmkopfes. Die rasenartige Auffaserung des ursprünglichen Sehnenansatzbereichs rechts der Knorpelzone deutet auf eine über Jahre hinweg entstandene, degenerative Ablösung der Sehne hin. Oben im Bild die abgelöste und um ca. 3 cm zurückgezogene Innenfläche der Supraspinatusehne. |
Der Blick von der Seite auf die Beschädigte Sehne entspricht der obenstehenden Grafik mit der Darstellung einer diesem Fall exakt entsprechenden Ruptursituation. |
Im ersten Arbeitsschritt erfolgt die Reinigung des ehemaligen Sehnenansatzbereichs mit dem Hochfrequenzinstrument |
und einer Miniaturfräse, dem sogenannten Acromionizer. |
An der Unterseite des Schulterdaches zeigt sich eindrucksvoll das sogenannte Impingementzeichen. Diese lokale Auffaserung des Bandansatzes an der Schulterdachkante entsteht durch langjährige Reibung des Oberarmkopfes an dieser anlagebedingten Engstelle. |
Nach sorgfältiger Ablösung des entzündeten Gewebes zeigt sich eine spornartige Schulterdachkante. |
Entsprechend muss im nächsten Arbeitsschritt eine Korrektur der Schulterdachform erfolgen, damit die Sehne nach erfolgreicher Einheilung nicht wieder erneut geschädigt werden kann. |
Dies gelingt durch Modellierung der Knochenkante mit Miniaturfräse und HF-Instrument. Im Ergebnis zeigt sich die begradigte Schulterdachform. Die vormalige Engpass-Situation ist auf Dauer behoben, die Sehnen verlaufen nun reibungsfrei unter dem Acromion (Schulterdach). |
Nun erfolgt das Vorbohren eines Gewindes für den resorbierbaren Anker. Auf der Knochenoberfläche des Humeruskopes sind nach dem Reinigen und Aufrauhen Minaturblutungen zu sehen. Dies wird eine gute Einheilung der Sehne gewährleisten. |
Anschließend wird ein resorbierbarer Knochenanker eingebracht. Mit Hilfe der daran befestigten Ankerfäden wird nun die Sehne in einer Zweireihentechnik (Double-Row) am Oberarmknochen fixiert. Die Materialwahl für das zu verwendende Ankersystem trifft der Operateur nach Prüfung von Ruptursituation und Knochenbeschaffenheit zumeist erst während des Eingriffs. |
Hier ist das Einbringen der zweiten, seitlichen Nahtreihe dargestellt. Die Sehne hat sich bereits schön auf die vorbereitete Knochenoberfläche gelegt und kann nun in den kommenden Wochen solide einheilen. |
Dies ist das abschließende Foto mit der komplettierten Suture-Bridge. Die Sehne liegt wieder anatomisch am Knochen des Oberarmkopfes an, die Ruptur ist vollständig verschlossen. Der hellblaue Ankerfaden im Vordergrund dient nur als Führungsfaden und wurde vor Beendigung der OP entfernt. |
Der gesamte Eingriff wurde von mir in rein arthroskopischer Technik durchgeführt, es mussten lediglich 4 kleine Haut-Einstiche an der Schulter vorgenommen werden. Die Operationsdauer (in Vollnarkose) lag bei ca. 70 Minuten. Der stationäre Aufenthalt dauert üblicherweise 3 Tage.
Die Nachbehandlung umfasst eine 4- bis 6-wöchige Ruhigstellung auf einer Armbandage. Eine krankengymnastische Beübung der Schulter ist im Bewegungslimit Abduktion 45° möglich. Die Rotation kann schmerzlimitiert aktiv-assistiv vorgenommen werden. Zur Körperpflege wird die Bandage abgelegt, die betroffene Hand kann für kleinere Verrichtungen gefahrlos eingesetzt werden. Um den Einheilungsprozess der in vielen Fällen zusätzlich operativ verlagerten langen Bicepssehne nicht zu gefährden, ist für 6 Wochen auf eine forcierte Beugung des Ellenbogens gegen Widerstand zu verzichten. Bei normalem Ausheilungsergebnis ist die Schulter wieder kraftvoll und ohne Einschränkungen einsetzbar. |
Üblicherweise erhalten meine Patienten eine Motorbewegungsschiene leihweise rezeptiert. Diese wird durch eine Spezialfirma bereits 2-3 Tage nach der OP zu Hause beim Patienten installiert und kann über 4 Wochen hinweg 3 mal täglich in Eigenregie zur passiven Mobilisation der Schulter eingesetzt werden. Dies unterstützt das Einheilen der Sehne und vermeidet die Entstehung von postoperativen Verklebungen der Sehnengleitschichten. |